Montag, 29. Mai 2017

800XC - Fahrbericht

Und nun auch zur Tiger ans "Eingemachte" der Fahrbericht, natürlich inkl. Bewertung.

Diese Bewertung bereits tabellarisch vorab:

Produktbewertung des “Testpiloten”
Fahreigenschaften:
ausgezeichnet für die Kategorie der mittleren Reiseenduros
Bremsleistung:
sehr gut, dank der Doppelscheibenbremsanlage vorne,
Einzelscheibe hinten und feinfühlig regelndem ABS
Fahrwerk:
relativ gut in Serie, Federung vorne nicht einstellbar, mit recht hohem Losbrechmoment, hinten in Druck- und Zugstufe verstellbar
Komfort:
gut, s. Fahrwerk / Federung
Verarbeitung:
wirklich sehr gut
Zuverlässigkeit:
treu, ausgezeichnet, ganzjahrestauglich
Pro:
leicht zu fahren trotz des relativ hohen Schwerpunkts, gutmütig, elastischer Motor, tolles Fahrgefühl, hohe Zuladung
Kontra:
Preis wie bei Mitbewerbern, Kette, wobei dieser Antrieb in der Klasse üblich ist, versaut sich im Heck stark ein, da unverkleidet
Empfehlenswert?
Auch hier wieder uneingeschränkt !!!



Kompletter Erfahrungsbericht

 

Vorgeschichte DL1000

Nach 3 Jahren auf der Suzuki DL1000 VStrom, der großen Reiseenduro von Suzuki, habe ich nach über 76.600km rein durch Zufall das Motorrad gewechselt.
Bei einem Termin für neue „Schuhe“ an meiner Großen konnte ich bei Moto Visé, also beim Alex in Eupen, die frisch im Jahr 2011 erschienene Triumph Tiger 800XC Probe fahren, während meine Suzi ihre Reifen bekäme. Der Reifenwechsel sollte etwas länger dauern, weil ich ohne Termin bei Visé erschienen war. Somit bestand die Möglichkeit einer ausgiebigen Probefahrt.
Also wurde die Dicke in die Werkstatt und auf die Bühne geschoben und im Gegenzug die Tiger 800XC aus dem Laden gerollt.

Es erfolgte eine kurze Einweisung und der besondere Hinweis, dass dieses frühe Modell noch nicht über ABS verfüge und ich somit etwas vorsichtiger mit der Maschine sein sollte, weil sie persönlich auf den FTH (freundlichen Triumph Händler, also Alex) zugelassen und mir ja bewusst sei, dass wir in Belgien leider lediglich eine Haftpflicht bei Motorrädern abschließen können, so dass mangels Teil- oder gar Vollkaskoversicherung Unfall- und Sturzschäden direkt in das Porte­mon­naie des Halters Löcher reißen.
Anschließend kam noch die Empfehlung die Maschine gerne stundenlang und auf Herz und Nieren, also auf Straße und Schotter, leichten Feldwegen usw. zu testen, er bräuchte, ein paar Monate nach Erscheinen dieser neuen Reiseenduro ehrliche Kundenrückmeldungen.

Also Helm auf, auf die Katze und zunächst über die Aachener Straße nach Raeren gefahren.
Mein erster Eindruck war, wow, was für ein Sahnemotor, zwar kein BUMS wie bei der VStrom, jedoch immer präsent, ständig Druck, kein Drehmomentloch, irgendwie elektromotormäßig, jedoch begeisternd.
Der zweite begeisternde Eindruck erfolgte zum Handling, denn die 800XC fuhr sich wie die selige XF650, ohne die Einzylinderrappelei, hatte Leistung wie die DL1000, zwar nicht deren BUMS, aber auch nicht deren Gewicht und war somit gut motorisiert und zudem fahrradhandlich.
Durch Raeren-Dorf ging es dann kurz vor den Wald, wo es eine Strecke/Straße Richtung Kettenis, parallel zur Nationalroute gibt, welche, um es einmal vorsichtig zu formulieren, ein sehr desolat asphaltierter Feldweg ist. Ein Singletrack in der Straßenkategorie -5. Dort hab ich zunächst vorsichtig, dann immer forscher die Tiger und deren Federung getestet. Zunächst in normalem Tempo für so einen teils gekiesten und bitumengeflickten Weg, bis hin zum Fliegen lassen mit knapp über 90km/h, wobei damit dann eigentlich schon die Höchstgeschwindigkeit auf belgischen Land- und Nationalstraßen überschritten wurde. Eine lustige Hatz und das auf einem Quasifeldweg.
Der dritte positive Eindruck stellte sich dann ein, als ich das leichte Gefährt von diesem -5-Weg auf einen begrünten und gekiesten Feldweg dirigierte, welcher auch noch in einem belaubten, aber trockenem Waldweg mündete. Wieder stellte sich dieses Freudeempfinden ein, die 800er-Triumph hier durchzuprügeln, ohne jemals Vertrauen in die Maschine, den Reifen, usw. zu verlieren. Ich als Anfänger kam mir wie der Motorcrosser vor, welcher mit legalem Gerät die Nebenstraßen meiner Wahlheimat unsicher machen kann.

Nach nicht mal einer guten Stunde kam ich zum FTH mit einem riesigen Grinsen unter dem Helm und dem Bauchgefühl „Die muss ich haben!“ zurück.
Vom Alex wurde ich zunächst mit dem Hinweis empfangen, dass er mich noch nicht zurück erwartet hätte und die VStrom auch noch nicht fertig sei. Als ich den Helm ablegte, sah er meine Begeisterung und es war geschehen. Die Wartezeit auf die neu besohlte DL1000 verbrachten wir mit Benzingerede, welches in einem Kaufvertrag mündete.

So kam ich völlig unerwartet zur Triumph Tiger 800XC.

Ich zog aus, um neue Reifen für mein altes Motorrad zu bekommen
und kam mit einem Kaufvertrag für ein neues Motorrad zurück.

Leider musste ich aufgrund der Lieferschwierigkeiten von Triumph für ABS-Maschinen der Katze noch bis August warten, doch dieses Sicherheitsfeature war mir die Wartezeit wert.
Kaum wurde sie Mitte August geliefert, holte ich sie freitags ab, verbrachte ein Wochenende mit ihr und führte sie montags schon zur 800er-Sicherheitsinspektion.
Darauf das Wochenende ging es schon vollbeladen zum jährlichen internationalen XF650-Treffen in den Westerwald, natürlich mit der neuen Tiger.

Preis

Die mittlere Reiseenduro von Triumph orientiert sich preislich stark an der blau-weißen Mitbewerberin und ist somit, gerade auch bei heutigen aktuellen Maschinen mit allen Extras und Gimmicks nicht gerade billig.
Da immer wieder Angebote, auch in Form von Tourenpaketen, Garantieverlängerungen u.d.gl. erfolgen, informiert man sich zu aktuellen Preise besser direkt bei Triumph und mit dieser U.V.P. sucht man dann zwecks konkretem Kaufpreis einen offiziellen Händler auf. So hat man Höchstpreis, Händlervorstellung, ggf. Verhandlungsbasis und –wissen.

Meine Tiger 800XC war 2011 mein erstes Neufahrzeug, 0km, Preis fix, da eine absolute Neuerscheinung auf dem Markt. Trotzdem habe ich mit Alex einen fairen Deal für beide Seiten machen können, indem ein guter Eintausch meiner DL1000, Werkstatt- und Nebenleistungen fixiert wurden.
Rechne ich aus heutiger Sicht alle Anbauteile wie Hauptständer, Kofferträger, Griffheizung, Nebelscheinwerfer usw. zum damaligem Kaufpreis, so komme ich auf einen BMW-würdigen Neupreis von ca. 12.500,-€ bis 13.000,-€ für die Maschine.

Heute kann man ein überarbeitetes/aktuelles Road- wie Off-Road-Modell in verschiedenen Ausstattungspaketen erwerben, dabei erreicht man Preise wie bei dem großen bayrischen Hersteller. Gebrauchte Maschinen, insbesondere die Modelle vor der Überarbeitung kann man günstig bekommen, ebenso Jahres- Ausstellungs- und Vorführermaschinen der aktuellen Modellserie. Wenn man dann noch etwas von Motorrädern versteht, sollte man sich auch mal auf dem Privatmarkt umsehen, da sind wie üblich vergleichbare Maschinen meist noch etwas günstiger.



Das Aussehen

„Paint it black“ bei meinem Modell ist bis auf ein paar Alu-Anbauteilen alles schwarz. Schwarz? Ja, denn die erste Serie der Tiger 800XC gab es nur in weiß, einem Rotton, der an orange erinnerte und eben in schwarz. Alle Farben sind eigentlich schön, Hauptsache sie sind schwarz!
Und mir ist bewusst, dass das Fehlen sämtlicher Farben und des Lichts eigentlich keine Farbe ist.

Die XC hat wie die XF650 wieder Speichenräder, im Gelände und auf kaputten Nebenwegen ein deutliches Plus, insbesondere wegen dem 21“-großem Vorderrad, ein dickes Minus, wenn es um die Reinigung, also das Putzen geht, Frickelarbeit.

Bei den Reifen bin ich zunächst Michelin in Form des Anakee II treu geblieben, denn den Michelin Anakee II hab ich auch erfolgreich auf der DL1000 gefahren. Das Reifenprofil des Michelin Anakee II liegt etwa in der Mitte zwischen Enduro- und Strassenmaschinenbereifung, also ist er kein direkter Stollenreifen, aber gröbere „Profilplatten“, die zum einen für eine gute Haftung sorgen zum anderen aber der optimalen Wasserverdrängung dienen sind am Pneu. Der Anakee II hält gegenüber dem ersten Modell dieser Reifenserie länger. Doch plötzlich gab es ihn für die Tiger nicht mehr und ich fuhr den Anakee III Probe. Leider war dies nicht der Wurf, denn der Reifen hat noch mehr Straßenorientierung, eine höhere Steifigkeit, welche sich bei der Katze mit Vorderradhubbeln bemerkbar machte und das Regenvertrauen in dieses Modell stellte sich nicht so wie beim Vorgänger ein. Letztendlich wechselte ich zum Metzeler Tourance Next, welchen ich auch heute noch fahre.

Das Cockpit ist zum Teil klassisch mit einem Rundinstrument für die Drehzahl, links daneben dann ein moderner Tacho und Zusatzanzeigen im digitalen Stil, z.B. für Sprit, Temperatur, Warnungen, Uhr, Reichweite, alles was der Boardcomputer so her gibt. Insgesamt wirkt alles sehr wertig und aufgeräumt. Mit Reflexionen auf den Instrumenten hat die Tiger keine Probleme.

Alle Schalter und Hebel am Lenker sind sehr gut zu bedienen, auch wenn die Knöpfe für Heizgriffe und Nebelscheinwerfer wie aus dem Lego- oder Fishertechnikkasten wirken.

Der Kunststoffspritzschutz am Hinterrad war in seinem Ursprungszustand nicht so toll und es fehlte ihm jegliche Wirkung,
d.h. die Kiste saute sowohl das Federbein als auch das komplette Heck ein. Auch der Kettenschutz war suboptimal, so dass das Fett bis an die Soziusgriffe spritzte. Abhilfe konnte ich mit der Montage eines Rearhuggers schaffen.

In ihrem nackten/originalen Erscheinen wirkt die 800XC hoch, aber zierlich.
Voll aufgerödelt, mit Sturzbügel, Sturzbügeltaschen, großem Windschild, Koffer usw. wirkt die 800XC wie eine große Reiseenduro.
Dazu ist sie fahrwerksbedingt und wegen der Räder recht hoch, noch höher durch ein Tourenwindschild und macht für eine „kleine“ 800ccm ein mächtiges Bild.

Das Gewicht

Dies liegt laut Herstellerangaben bei 215 Kg nass, bei meiner voll ausgestatteten Maschine bei ca. 225kg.

Das sind wieder deutlich weniger Kg als bei der DL, die schon trocken schwerer war, leider jedoch nicht so wenige wie bei der Freewind. Für eine mittlere Reiseenduro ist das Gewicht aber, wenn man mal die Mitbewerber in diesem Segment sieht, o.k., unter 200Kg ist in diesem Segment nichts zu finden. Für zierliche Frauen, kurzbeinige Männer, blutige Fahranfänger, unerfahrene Wiedereinsteiger und, und, und ist sie NICHT das passende Motorrad, weil sie einfach zu hoch ist und der Schwerpunkt tankbedingt hoch liegt. Eine Balance ohne ausreichenden Stand ist zu schwer.
Vorgenannter Personenkreis sollte sich einmal das Roadmodell näher ansehen.

Bei einer maximal zulässigen Nutzlast von 223Kg ist ein Fahrbetrieb mit Sozia und/oder Gepäck
absolut kein Problem.
Auch die Tiger 800XC mutiert wie bisher alle meine Motorräder zum Muli.

Fahreigenschaften

Das Motorrad fährt sich absolut leicht, wie meine selige Freewind.


Die Schaltung flutscht nur so rauf und runter, absolut leichtgängig und auch hier rastet der erste Gang mit einer deutlichen akustischen Rückkopplung satt ein. Dachte das wäre japanertypisch.

Die Tiger ist beim Fahren souverän und in allen Fahrsituationen sehr großzügig, sie verzeiht einem sehr viel.
Das Kurvenverhalten ist top, wirklich super, das hatte ich aufgrund des großen und sehr dünnen Vorderrades so nicht erwartet. In kurvigem Terrain fühlt sich die Tiger sauwohl, Land- und Bundesstraße ist ihr zu Hause, aber auch die BAB scheut sie nicht und läuft dort gut mindestens 200km/h.

Selbst beim Bremsen in Schräglage stellt sich die Katze kaum auf, was mich zuerst, s. Reifen, verwunderte und der Stubentiger ist immer gut ums Eck zu zirkeln. Verwinkelte Bergpassagen sind absolut ihr Ding, viel Übung bedarf es hierfür nicht.
Zu den Bremsen kann ich sagen, dass sie bei Trockenheit und ebenso bei Regen sehr gut verzögern, einfach gleichmäßig stark mit der Vorder- und Rückbremse bremsen, das war’s schon. Und im Fall der Fälle kümmert sich das abschaltbare ABS um die Sicherheit.

Die Werte

wiederhole ich im Gegensatz zu den anderen Fahrberichten hier nicht noch einmal, da sie der Tabelle entnommen werden können.

Zum Verbrauch möchte ich hier jedoch anfügen, dass dieser wieder auf Freewind-Niveau liegt, d.h. 5,0 bis 5,5 Liter, je nachdem wie ich die Katze ran nehme. Details zum Verbrauch können meinen Einträgen bei Spritmonitor entnommen werden.
Auch sei noch erwähnt, dass die aktuellen Modelle aufgrund ihres ride-by-wire bis zu einem halben Liter weniger verbrauchen sollen.
Ich komme mit meiner Katze so zwischen 300 und 340 Kilometer weit, suche mir schon ab 270 Kilometer meist eine Tanke und bin daher bislang noch nie wegen Spritmangel liegen geblieben.

Die Verarbeitung

Die Triumph Tiger 800XC ist sehr gut verarbeitet. Motor und Elektrik sind bei einem Neufahrzeug top.
Alle Kinderkrankheiten des Ursprungsmodell wie schlecht eingestelltes Motormanagement, zu schwache Hauptständerfeder, zerappelter Scheinwerfer, zu schwache Schaltfeder, Schaltfederbolzenbruch, Lackaufblähung am Lima-Decke usw. habe ich mitgemacht und über die Triumph oder Anschlussgarantie abgewickelt.
Was kaufe ich mir auch ein absolutes Neufahrzeug, halt ein Bananenprodukt, welches beim Anwender reift.
So mit den Jahren, sie ist nun sechs, kommen natürlich auch Probleme durch meine Ganzjahresfahrerei, denn die Maschine leidet sowohl leicht am Rahmen als auch den Anbauteile wie den vorderen Fußrasten, dem Sturzbügel, den Kofferträger, usw., wie bei meinen alten Maschinen auch.
Ein wirklich großer Vorteil ist auch an der Tiger gegenüber der XF650 der zweiäugige Frontscheinwerfer, bei welchem beide Einheiten leuchten.
Die Lichtausbeute ist groß!
Die Ersatzteilkosten halten sich auch bei Triumph in Grenzen. Die Werkstattkosten bei meinem belgischen FTH auch.

Fazit

Ich habe mal wieder einen Glücksgriff gemacht, denn so ein tolles Bike für das gezahlte Geld ist wirklich super.
Die Tiger 800XC hat mich schon bei der ersten Fahrt begeistert und voll überzeugt.
Das gute Bauchgefühl ist immer noch da!

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