Mittwoch, 26. Juli 2017

Norwegen - Tag 06

Preikestolen - der Berg ruft


An diesem sonnigen und trockenen Tag wollten wir auf den Preikestolen und zwar recht früh. Mein Bruder hatte sich im Internet schlau gemacht und dort gelesen, dass man bereits um 03:00Uhr hinauf müsste, um den Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu erleben. Spätestens vor 6:00Uhr sollte man aber hoch gehen, um den Tourismusmassen zu entgehen. Der Sonnenaufgang hatte uns schon gereizt, doch dann wären wir in relativer Dunkelheit und ohne nötige Nachtruhe auf den langen Tripp gegangen. Daher hatten wir uns dazu entschieden, den Wecker/den Trompeter auf 5:00Uhr zu stellen, so dass wir zumindest ungestört unser Vorhaben verwirklichen konnten.

Nach recht schlafloser Nacht und das lag nicht an der Aufregung vor unserem Abenteuer, sondern vielmehr an meinen Magen- und Darmproblemen, welche mich am Abend und in der Nacht mehrfach auf die Toilette trieben, wachten ich bereits vor 5:00Uhr auf. Nachdem auch mein Bruder nicht mehr schlief, machten wir uns frisch und aufstiegsbereit, schließlich hatten wir einige Kilometer zu wandern:
- einen Fußmarsch über eine stetig steigende Straße zum Preikestoleninformationszentrum und -parkplatz,
- den Aufstieg auf den Berg,
- den Rückweg hinuter und
- den Rückmarsch über die Straße zum Campingplatz.
Dieser Ablauf war uns vorgegeben, da wir mit unseren Motorrädern nicht an das Informationszentrum fahren, uns dort umziehen und die Motorradklamotten sicher untergebracht dort lassen konnten, um in leichter Kleidung den Gipfel zu erstürmen.
Als Motorrad und Nichtautofahrer hatten wir die ganze Strecke zu Fuß zu bewältigen.
Da kam uns das frühe Losgehen, kurz nach 5:00Uhr gerade recht.

Der erste Weg trieb mich aufgrund meiner gesundheitlichen Probleme jedoch zunächst zur Toilette des Campingplatzes, was aber keinen Umweg bedeutete, da das Waschhaus unmittelbar am Campingplatzeingang, unserem Start der Wanderung lag.
Anschließed ging es die ausgeschilderten 4km bis hinauf zum Preikestoleninformationszentrum. Die Strecke erwies sich jedoch länger als angegeben, denn nach gut 6km und 1 Stunde Fußmarsch (was auf ansteigender Straße gar nicht mal so langsam war) erreichten wir den ersten Vorparkplatz des Zentrums.

Dort zweigte mein Bruder auf einen gemäßigten Nebenweg zum ersten Pausenplateau des eigentlichen Preikestolenaufstiegs ab und rastete kurz an der Stelle, ab der die Norweger mit der Meterzählung bis zum Gipfel begannen, währen ich einige Meter tiefer das Informationszentrum mit seinen Toiletten und Waschgelegenheiten aufsuchte, da mich mein Gedärms nach der ersten Wanderstunde wieder quälte.
Einen Vorteil hatte ich dort, ich konnte mich zusätzlich frisch machen, denn in der Früh trugen wir wegen der Kühle bei der Straßenwanderung noch unsere Jacken und schwitzten leicht.

Ab dem Infozentrum nahm ich dann den offiziellen Weg zu unserem Ziel auf.

Also erstmal hoch zu meinem Bruder, der oberhalb des Parkplatzes auf mich wartete.

Ich hatte versucht ihn anzurufen, um mein baldiges Erscheinen anzukündigen, doch leider nicht erreicht.

Er kann Euch da eine Story von eimem Spinner, der pfeifend den Preikestolen erklimmt, erzählen.
Ich sag nur: Klingelton 😉







Das erste Stück war ein leicht ansteigender Kiesweg und noch dachte ich, dass ist ja auch für uns absolut bergtechnisch Untrainierte zu schaffen. Während ich so den Kiesweg hoch ging, hörte ich hinter mir ein Schlurfen von zwei Touris, die sich mit ihren Nordik-Walking-Sticks stetig näherten.
Ich dachte, gleich holen sie dich ein, denn hier auf diesem gekiesten Wanderweg hatten sie tatsächlich einen Vorteil durch die Unterstützung ihres Wanderns mit den "Krücken". Doch nach der nächsten Biegung erschien für mich die erste "Trolltreppe". Geröll und kleine Hinkelsteine von unterschiedlicher Größe, die zu einer unwegsamen Treppe aufgeschichtet waren.
Das Schlurfen hinter mir wurde leiser, die Nordik-Walker fielen ab, sicherlich, weil in solchen Passagen die Sticks eher hinderlich als hilfreich waren. Das spornte mich an, den Höhehnunterschied zu meinem Bruder noch schneller zu überwinden. Bereits das erste mal erschöpft brauchte ich, als ich ihn erreichte, meine erste Pause, da hatte der Aufstieg aber eigentlich noch gar nicht begonnen, denn erst hier oben stand der Startpunkt und verwies auf den Gipfel in 4km Entfernung.


Über weitere "Trolltreppen", Geröllwege, flache Abschnitte, die aussahen wie gepflastert, welche aber immer aus unterschiedlich hohen Steinen und Steinplatten mit großen Rissen und Lücken dazwischen bestanden, ging es stetig und kräftezehrend hinauf. Ständig kämpften wir mit den Steinen, dem Geröll, überwandten Stüfchen, Stufen und Riesenstufen, welche beinah Tischhöhe hatten und unter Zuhilfenahme der Hände auf den Oberschenkeln oder an Bäumen, Wänden usw. überwunden werden mussten.



Kaum ein Mensch war unterwegs, nur hin und wieder begegneten wir jemandem, der vom Gipfel hinab kam oder einsam aufstieg.
Zwei Brüder, einsam und im Einklang mit der stillen Natur. Das hatte etwas ergreifendes, ich kann es auch heute noch nicht in Worte fassen.


Manchmal erreichten wir Plateaus und Hochebenen, welche grün, sumpfig oder mit Wasser gefüllt waren.



Da sich auch beim Aufstieg mein Darm ständig meldete, nutzte ich eine dieser sumpfigen Plateaus, um einmal kurz auszutreten. Man musste schon höllisch aufpassen, damit man die tragenden Flächen im Moor fand, irgendwie erinnerte mich die Landschaft, das Moor, die Möglichkeit eines Fehltritts an "Herr der Ringe", nur habe ich im Film niemandem in den Büschen ka..en gesehen 😅
Letztendlich fand ich auf festem Grund hinter Büschen ein "stilles Örtchen" und musste erkennen, dass ich doch nicht der erste war, der auf dem Preikestolen ge...issen hatte 😅

Wir nutzten diese flacheren Stellen natürlich auch für Verschnaufpausen und gönnten unseren ausgelutschten Körpern Zeit zur Muskelerholung, aber auch Flüssigkeiten in Form von kurzen Isogetränkschlucken aus unseren mitgeführten Wasserflaschen.
"Die Flasche langsam aufschrauben, einen Schluck in den Mund nehmen, die Flasche wieder langsam zudrehen, den Schluck Wasser im Mund umspülen und erst dann langsam herunter Schlucken", die wurde regelrecht zu unserem Ritual.
Ich hatte das Gefühl, dass man gar nicht so viel Wasser auf den Berg schleppen, wie man saufen kann.
Doch nix wird in Norwegen in die Natur geworfen, das fand ich toll, alles, was auf den Berg gebracht wird, wird auch wieder herunter geschleppt.
Irgendwie ein ungeschriebenes, logisches Gesetz, welches aber das Gefühl des Einklang von Mensch und Natur unbeschreiblich verstärkte.

Nach gut zwei Stunden, ich konnte es aus den Timecodes der Photos entnehmen erreichten wird den Gipfel.



Unsere Aufstiegsmühen wurden mit einem berauschenden Panorama belohnt. Auch heute noch fehlen mir die Worte, meine Stimmung, meine Gefühle dort oben zu beschreiben. Worte und Bilder können den Eindurck nicht beschreiben, welcher sich da oben auf meine "Festplatte" gebrannt hat.
Ich stand nur da, mittig, an den Kanten, Blick in die Ferne, Blick in die Tiefe, Blick über die Gebirgszüge, Staunen über den Himmel, das Panorama und saugte diese Eindrücke auf, verinnerlichte sie, ich kann es wirklich nicht beschreiben.


 
 

 



Darüber hinaus war ich nicht nur auf uns beide mächtig stolz, weil wir zwei Untrainierte, diesen Aufstieg, unser Ziel geschafft hatten, nein ich war stolz auf meinen Bruder, der dieses Unterfangen trotz seiner Höhenangst angegangen war und bis zum Ende durchzog, auch wenn ihn das an manch schmalen und abgrundnahen Passagen den Angstschweiß auf die Stirn trieb.



Nach dem Aufstieg, all diesen Eindrücken hier oben, setzten wir uns an die Felswand und genossen unser Frühstück in Form eines absolut zuckrigen und damit energiespendenden Brotes. Lecker war es, aber schwierig zu essen, denn es saugte einem den Restspeichel im Mund zusammen und schwoll zu einem schwer zu schluckenden Klopps an. Viel trinken konnten wir beim Essen jedoch nicht, da unsere Getränkevorräte ja noch für den Abstieg und den Straßenfußmarsch zurück zum Campingplatz ausreichen sollte.

Nach dem Essen begannen wir den Abstieg und je näher wir uns der Talstation näherten, um so größer wurden die Horden von laut diskutierenden Touristen, die uns entgegen kamen.
Es war eine weise Entscheidung, dass wir auf die Internetrecherche meines Bruders gehört hatten und schon füh los zogen.

Vor Mittag kamen wir von unserem 20km Gewalltmarsch zum Zelt zurück. Dort wurden zunächst die geschundenen Füße, ich hatte mir, da man meist auf dem Vorderfuß klettert, zwei Blasen gelaufen, gepflegt. Den Grund für die Blasen konnte ich auch recht schnell ermitteln: Zum Wandern hatte ich meine Steitz-Secura-Halbstiefel mitgenommen und angezogen. Der Plan war, diese alten und schon stark gebrauchten Unfallverhütungsschuhe in Norwegen zum Wandern, aber bei schönem Wetter auch zum Motorradfahren zu nutzen. Ursprünglich waren diese Schuhe schon gut durch bzw. abgelaufen. Nach dem Preikestolen musste ich aber feststellen, dass sie im vorderen Fußbereich, also im Ballenbereich völlig durchgelaufen waren. Wer wusste, wieviele Kilometer ich schon auf der durchstichsicheren Innensohle gelaufen war. Kaputte Füße, kein Wunder.











Den Rest des Tages verbrachten wir mit Wäsche waschen und während deren Trocknung mit "Füße hoch legen".


Was für ein Tag. Unbeschreibliche Eindrücke.
Aber so schön es da oben auch war, ich hab meine Festplatte gefüllt, ich muss da nicht noch ein weiteres Mal rauf!

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