Montag, 13. Februar 2017

XF650 - Fahrbericht

Nun ans "Eingemachte" der Fahrbericht, inkl. Bewertung.

Diese Bewertung bereits tabellarisch vorab:


Produktbewertung des “Testpiloten”

Fahreigenschaften:
ausgezeichnet für diese Klasse
Bremsleistung:
gut, auch wenn die Gabel mal auf Block geht, Enduro halt
Fahrwerk:
gut, Federung jedoch sehr weich
Komfort:
gut, s. Fahrwerk / Federung
Verarbeitung:
recht gut
Zuverlässigkeit:
ausgezeichnet, ganzjahrestauglich
Pro:
Günstig, leicht zu fahren (gutmütig , ein absolutes Anfängermotorrad), tolles Gefühl !
Kontra:
Nothing ! (vielleicht die Kette, dieser Antrieb ist aber in dieser Klasse normal)
Empfehlenswert?
Uneingeschränkt !!!


Kompletter Erfahrungsbericht:

 

Vorgeschichte

Wie ich schon mal geschrieben habe, erhielt ich durch meinen Umzug nach Belgien als Besitzer der deutschen Führerscheinklasse 3 (PKW) bei der Anmeldung in meinem heutigen Wahlheimatort einen neuen belgischen Führerschein, welcher über den PKW hinaus auch das Führen von Krafträdern mit max. 124ccm und max. 15 PS erlaubte.
Für die tägliche Fahrt nach Deutschland, Aachen zur Arbeit erwarb ich eine Suzuki Inturder V125 LC, einen kleinen Minichopper. Dieser war zum Fahren und Pendeln auf der täglichen Wegstrecke zum Arbeitsplatz ganz in Ordnung und machte auch für kurze Ausflüge in die nähere Umgebung meines Wohnortes richtig Spaß, doch stieß die Minitruder natürlich aufgrund ihres kleinen Hubraumes und ihrer Leistungsbeschränkung schnell an ihren Grenzen, insbesondere dann, wenn bergauf Leistung von ihr verlangt wurde.

Doch nun hatte ich bezüglich des Mopedfahrens Blut geleckt.

Daher legte ich 2003 in Belgien, Eupen die Führerscheinprüfung für Motorräder ab und besitze seit dem die unbeschränkte A-Klasse. Neuer Lappen, neues Moped.

Aufgrund meiner Körpergrösse (1,91m) kam nur was bequemes mit vorgelegten Rasten oder was hohes in Frage.
Die Wahl fiel auf die Suzuki XF650 Freewind, die „Funduro“ von Suzuki.


Preis

Die Freewind kostet in den letzen Jahren und je nach Händler so an die 6000 Euro. Ich habe eine 5 Jahre alte Maschine mit wenigen Kilometern (knapp 15.000 km, weniger als meine Jahresleistung) bei einem deutschen Händler mit Garantie erworben.

Heute kann man drei bis fünfjährige Maschinen recht günstig bekommen und wenn man was von Mopeds versteht, sollte man sich auch mal auf dem Privatmarkt umsehen, da sind vergleichbare Maschinen meist noch etwas günstiger.


Das Aussehen

Bei meinem Model ist der Tank, d.h. die vordere Verkleidung in bordeauxrot, die Cockpitverkleidungen ist grau und die hintere Seitenverkleidung silbern, die Originalsitzbank war schwarz-bordeaurot, nun ist die aufgepolsterte (nun höhere) Sitzbank schwarz mit bordeuaxrot umfassten Rauten. Die Speichenräder sind noch original, d.h. vernickelte Speichen und schwarze Felgen, nun mit Reifen von Michelin. Das Reifenprofil des Michelin Anakee liegt etwa in der Mitte zwischen Enduro- und Strassenmaschinenbereifung, also kein direkter Stollenreifen, aber gröbere „Profilplatten“, die zum einen für eine gute Haftung sorgen zum anderen aber der optimalen  Wasserverdrängung dienen.
Das digitale Cockpit ist meiner Meinung nach sehr aufgeräumt, Reflexionen, wie von anderen schon des Öfteren bemängelt, konnte ich selbst bei starker Sonneneinstrahlung nicht feststellen. Der Tachometer, Drehzahlmesser und Tankfüllstandsanzeige sind digital (Ziffern- und Balkenanzeigen) und macht seinem Namen „Mäusekino“ (9 mal 20 cm großer Bildschirm ) alle Ehren.
Dies ist mal was völlig anderes als Anzeigen mit Zeiger und Zahlen und war im Erscheinungsjahr 1997 bahnbrechend. Alle Schalter und Hebel am Lenker sind sehr gut zu bedienen.
Der Kunststoffspritzschutz am Hinterrad sieht nicht so toll aus, wird von manchem Betreiber auch gegen einen „schöneren“ ausgetauscht, doch Vorsicht, er ist wichtiger Bestandteil der Betriebserlaubnis dieses Motorrades und darf weder verändert noch entfernt werden.
Alles im allen wirkt die Freewind wirklich sehr bullig, sie ist fast so hoch  (über Spiegel ) wie sie lang ist, macht für ein 650ccm Moped schon ein mächtiges Bild.


Das Gewicht

Dies liegt laut Herstellerangaben bei 185 Kg und hört sich auf den ersten Moment nach sehr viel an. Für ein Reisemotorrad ist das Gewicht o.k., für eine waschechte Enduro jedoch sehr hoch, doch solch ein Mottorad will die XF ja gar nicht sein. Mir kommt die Maschine aufgrund ihres optimalen handlings aber doch sehr leicht vor. Sie ist bestimmt was für Frauen, Fahranfänger, Wiedereinsteiger und für all diejenigen, die nicht Kilos wuchten möchten.
Bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 375 Kg ist ein Fahrbetrieb mit Sozia und/oder Gepäck bei einer zulässigen Zuladung von 189 Kilo kein Problem.
Die Freewind mutiert zum Muli.


Fahreigenschaften

Das Motorrad fährt sich sehr leicht. Ich hätte nie gedacht, dass man so gut damit zurecht kommt. Es ist wie Fahrradfahren mit der „Mofa“nduro. Ich habe ja wie oben erwähnt schon ein kleineres Motorrad und in der Fahrschule bzw. bei Probefahrten  was grösseres gefahren und ich muss sagen, dass ich mit keinem Bike auf Anhieb so gut zurecht gekommen bin wie mit der Freewind. Das Schalten flutscht so richtig und mit einer deutlichen akustischen Rückkopplung rastet auch der erste Gang satt ein. Die Freewind ist beim Fahren sehr grosszügig, sie verzeiht einem enorm viel. Das Kurvenverhalten ist wirklich super, hier kann man mit Schwung rein fahren und super toll heraus beschleunigen.
Je kurviger das Terrain, je mehr fühlt sich die XF 650 zu Hause.
Selbst beim Bremsen in Schräglage stellt sie sich kaum auf und ist immer gut ums Eck zu zirkeln. Verwinkelte Bergpassagen sind ihr Ding. Auch ein nicht so guter Fahrer oder jemand der ungeübt ist, wird nicht überfordert und wird hier wirklich seinen Spass haben. Zu den Bremsen wäre zu sagen, dass sie bei Trockenheit und ebenso bei Regen sehr gut verzögern, einfach gleichmässig stark mit der Vorder- und Rückbremse bremsen, das war’s schon. Lediglich bei Vollbremsungen ergibt sich ein Problem aufgrund der komfortablen Vorderradfederung. Diese ist so weich, dass die Maschine dazu neigt, vorne auf Block zu gehen und im Hinterradbereich leicht zu werden. Hieraus resultiert manchmal ein blockierendes Hinterrad, welches einen ordentlichen Striemen auf den Asphalt legt. Dies ist aber meist nicht weiter schlimm, da das Vorderrad nicht ausbricht und ein Herumschwenken des Hecks meistens auch unterbleibt bzw. von einem geübtem  Fahrer leicht gehandelt werden kann.


Die Werte

Diese sind zwar aus der Tabelle zu ersehen,
hier aber noch einmal die groben Daten in Textform beschrieben:
Der Tank der Freewind fasst 18,5 Liter Benzin bleifrei, wobei die letzten Liter nur nach umlegen des Sprithahns auf Reserve zur Verfügung stehen. Super kann man ebenso tanken, dies sollte man auch ab und zu mal tun, sie läuft dann besser / runder. Doch aufgrund der Tatsache, dass sie eigentlich minderwertigeren Sprit braucht, kommt man in Europa gut voran, denn Benzin oder besser ist fast überall zu haben. Da die Freewind laut Herstellerangaben zwischen 5-6 Liter braucht, kommt man gut und gerne 300 Km weit mit einer Tankfüllung. Dies kann ich durch jahrelange Fahrerfahrung auch bestätigen, mein Verbrauch ist so bei 5,2 bis 5,4 Liter je nach Fahrweise und Witterungsverhältnissen. Quält man den Einzylinder auf der BAB zwischen 6000 Umdrehungen bis 8000 Umdrehungen, dann schadet das nicht nur dem Motor, sondern direkt auch dem Durchschnittsverbrauch und die Suzi gönnt sich bis zu 7 Liter auf 100 km. An dieser Stelle sei angemerkt, das natürliche Revier der Freewind ist und bleibt die Landstrasse, vielleicht gespickt mit der ein oder anderen ganz leichten Geländepassage. Zum Kilometerfressen auf der BAB muss man wohl zu anderen Mopeds greifen.
Die Höchstgeschwindigkeit ist laut Suzuki 160 Km/h, dieser Wert kommt auch hin und wird mit einem Tachowert knapp darüber angezeigt, wobei der Digitaltacho recht genau ist.
Die knapp 50 PS bilden eine gute Grundlage für die Landstrassenhatz und haben auch genug Reserve, um auf selbigen den ein oder anderen mal schnell zu überholen.
Die Freewind hat genau 644 cm³, diese sind ebenso ausreichend wie die Leistung.
Das Getriebe spielt bei allen Spielchen mit, ob rauf oder runter ist ihm im wesentlichen egal. Die 5-Gänge reichen dicke aus, 3 für die Stadt und 2 für Landstrasse und Autobahn. Nur ab und zu wünscht man sich einen 6. Gang.
Nach etwas Gewöhnung findet man auch den Leerlauf auf Anhieb.
Zur Sitzhöhe wäre noch zu sagen das diese bei ca. 85 cm liegt, das Bike lässt sich aber noch um 3 cm in der Werkstatt herunterstellen. Da ich selber 191 cm gross bin und mit der 85 cm Einstellung doch Probleme mit dem Kniewinkel hatte, hab ich mir die Sitzbank bei einem Sattler aufpolstern lassen. Die höhere und nun breitere Sitzbank ist ein guter Kompromiss zwischen Sitzkomfort und verlagertem Schwerpunkt.


Die Verarbeitung

Die Suzuki Freewind ist auf den ersten Blick sehr gut verarbeitet. Motor und Elektrik sind bei einem Neufahrzeug und einem gut erhaltenen Gebrauchtfahrzeug top. Eine Kinderkrankheit des alten DR-Motors hat die Freewind aber doch geerbt, Ölaustritt. Dieser kann am Zylinderkopf, am Zylinderfuss oder an der Dichtung des Steuerkettenspanners vorkommen. Die Materialkosten zur Reparatur halten sich in Grenzen, doch ist der Arbeitsaufwand hierfür meist sehr hoch. Die Spaltmaße in der Verkleidung sind nicht immer gleichmässig, auch kann man bei näherem hinschauen hier und da ein paar kleine Unsauberkeiten, wie kleine Lackfehler und Macken erkennen. An der Lackierung ist vereinzelt auch schon mal eine leichte Erblindung zu sehen, da der Lack nicht unbedingt abriebfest ist und unter gutem Knieschluss leidet. Dies ist aber scheinbar normal bei Maschinen in der Freewindpreisklasse, denn diese kleinen Verarbeitungsfehler sah ich bei Honda und Yamaha auch. Durch meine Ganzjahresfahrerei leidet / leiden sowohl der Rahmen als auch die „brünierten“ Anbauteile wie vordere Fussrasten, Brems- und Kupplungshebel, Sitzbankschlosskasten usw.. Der Rahmen neigt zu Rosten, die brünierten Teile schlagen weiss aus.
Ein wirklich grosser Nachteil ist der Frontscheinwerfer des Ursprungmodells, denn der staubt von innen grau ein und erblindet dadurch. Dies resultiert aus Gummi- und Kunststofflager / -halterungen, welche durch die Vibrationen des Einzylinders, aber auch durch Einflüsse vom Strassenbau beschädigt werden. Der Erblindung kann jedoch durch Ausbau und Reinigen entgegengewirkt werden. Bei Bruch der inneren Halterungen (kommt gelegentlich auch vor, z.B. auch bei mir) ist ein Austausch erforderlich.
Modelle mit dem neuen Scheinwerfertyp (ab Baujahr 2000) sollen dieses Problem nicht mehr haben.
Die Ersatzteilkosten halten sich wie bei allen Japanern in Grenzen.


Fazit

Ich habe scheinbar mit meinem Gebrauchtmoped einen Glücksgriff gemacht, denn so ein tolles Bike für wenig Geld ist wirklich super. Die Freewind hat mich schon bei der ersten Fahrt voll überzeugt, ich muss hier wirklich sagen:
Ich würde sie gegen kein anderes Bike in diese Klasse tauschen.
Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt hier wirklich.

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